Und dann kam Corona

Und dann kam Corona

Nunja, meine Reise hatte ich mir etwas anders vorgestellt, aber es kommt ja meistens anders als man denkt. Doch dass es so anders kommen würde, hat wohl keiner erwartet.

Bis zur Karibikinsel Utila in Honduras lief alles nach Plan und nach sechs Wochen in meinem neuen Happy Place hatte ich auch schon Boot und Shuttle zurück nach Antigua in Guatemala organisiert. Eine 17 Stunden Fahrt, aber manchmal muss das einfach sein.

Corona war bei uns auf der Insel noch gar kein Thema. Müde belächeln wir die Panikkäufe der Deutschen zuhause und fragen uns, ob nicht alle überreagieren. Doch zwei Tage vor meiner Abfahrt meldet sich mein Shuttle mit der Info, dass Guatemala die Grenzen für Europäer geschlossen hat und die Fahrgäste nicht mehr einreisen dürfen. Sie wurden an der Grenze zurückgelassen.

Also beschliesse ich, das erst gar nicht zu riskieren und buche stattdessen einen Flug von der Nachbarinsel Roatan über El Salvador nach Costa Rica. Dort muss ich als nächstes hin und meinen Flug von Guatemala City nach San Jose erwische ich jetzt ja eh nicht mehr.

Ich beschließe, am Tag vor dem Flug die Fähre nach Roatan zu nehmen, dort zu übernachten und am nächsten Tag zu fliegen. Doch noch während ich auf Utila bin schließt El Salvador die Grenzen. Keiner weiß, ob ein Transit noch möglich ist. Ich bleibe bei meinem Plan, in zwei Tagen nach Roatan überzusiedeln. Sollte der Flug nicht gehen, kehre ich einfach wieder nach Utila zurück.

Doch dann kommt die Info, dass die Fähre zwischen den beiden Inseln sowie dem Festland für zwei Wochen eingestellt wird. Entweder fährt man jetzt oder zwei Wochen gar nicht mehr. Das bedeutet auch, dass ich nicht nach Utila zurück kann, wenn der Flug nicht geht. Ich bin mega unentschlossen. Verlasse ich meine Freunde und fahre alleine nach Roatan oder bleibe ich lieber im vertrauten Umfeld auf Utila? Aber in Roatan gibt es einen internationalen Flughafen. Wenn ich weiterkomme, dann von dort. Und das gibt letztendlich den Ausschlag.

Ich nehme die letzte Fähre nach Roatan und strande dort in einem netten kleinem Hostel. Und das erstmal für länger, denn kurz darauf wird mein Flug endgültig gecancelt. Dann wird der Flughafen in Roatan für sieben Tage gesperrt. Honduras wechselt vom State of Emergency zum Red Alert Status. Wir dürfen nur noch von 8 bis 18 Uhr raus. Und auch nur zum Supermarkt, Bank oder Apotheke. Größere Menschenansammlungen sind zu vermeiden. Restaurants bieten nur noch Take away an. Es dürfen nur noch zwei Leute im Auto sitzen. Busse und Taxis fahren nicht mehr.

Glücklicherweise ist der Supermarkt direkt ums Eck. Allerdings dürfen maximal 50 Leute gleichzeitig rein, ein Herr mit Maschinengewehr am Eingang kontrolliert das. Obst, Gemüse und Brot ist zeitweise aus, wird aber mit dem nächsten Cargoschiff wieder geliefert. Ich kaufe Basics, denn Käse, Äpfel und Co sind teuer.

Inzwischen wird Deutschland auf gestrandete Reisende aufmerksam. Zwar noch nicht explizit auf uns in Honduras, aber wir fangen selbst an, uns zu organisieren. Plötzlich existieren zahlreiche Facebook- und Whatsappgruppen, Links und Formulare kursieren und es ist gar nicht so einfach, zwischen Gerüchten, Panikmache, Halbwahrheiten und den wenigen Fakten zu unterscheiden.

Der Governeur der Bay Islands, zu denen Rostan und Utila gehören, beantwortet jeden Tag um 16 Uhr per Facebookstream die Fragen der Bevölkerung auf Spanisch und Englisch. Ich gründe eine Whatsappgruppe für Deutsche in Honduras, der am Anfang drei und mittlerweile über 60 Personen angehören. Auch der Governeur tritt meiner Gruppe bei. Kanadier werden per Sonderflüge ausgeflogen. Amerikaner verzweifeln ob der Tatenlosigkeit ihrer Regierung. Und wir Deutsche tragen uns brav in jede neue Liste ein, die irgendwann helfen könnte.

Das Krisenregistrierungsformular vom Auswärtigen Amt, das genau für sowas konstruiert wurde, kollabiert.  No more Elefand!  Während ich mit einer Freundin telefoniere, die in Mexiko ist, wo es noch relativ lasch zugeht, ändert sich bei uns der Status von Red Alert zu Martial Law, der striktesten Kategorie. Beginn: sofort.

Wie immer aktuell hat man keine Zeit zu reagieren. Ich schaffe es noch nicht mal mehr zum Supermarkt, um mich einzudecken. Dabei weiß keiner was Martial Law tatsächlich bedeutet und vor allem was das für uns heißt. Bald stellt sich heraus, dass wir nur noch zwischen 10 und 13 Uhr das Haus verlassen dürfen und das auch nur mit einem äußerst triftigen Grund. Wer sich nicht dran hält wird für 24 Stunden ins Gefängnis gesteckt.

Noch gibt es auf den beiden Inseln nur Verdachtsfälle, aber keine bestätigten Fälle von Covid-19. Das soll so bleiben. Ist in meinem Interesse. Auch wenn mir ab und zu die Decke auf den Kopf fällt. Zwar sind wir im Hostel 18 Reisende aus 6 Ländern, doch die meisten sind morgen auf einem kanadischen Sonderflug. Danach sind wir nur noch zu fünft. Ich rechne auch nicht damit, bald mit einem kommerziellen Flug rauszukommen, da der Flughafen hier erst am Dienstag wieder öffnet und die nächsten Flüge dann erstmal ausgebucht sind. Außerdem gibt es keine Direktflüge von hier nach Deutschland. Die meisten führen über die USA, die nun aber auch ihre Flüge reduziert. Bleibt das Rückholprogramm der Bundesregierung.

Oder ich bleibe hier. In der Tat weiß ich nicht, was die bessere Alternative ist. Und schwanke ständig hin und her. Im Pool sitzend oder in einer Hängematte schaukelnd lässt es sich hier durchaus aushalten, allerdings merke ich nach einer Woche mit diesen Einschränkungen und der Ungewissheit, dass mir langsam die Decke auf den Kopf fällt und ich niedergeschlagen werde. Also nehme ich es in die Hand mein Mindset zu ändern und lege mir eine Struktur auf. Ich stehe früh auf und mache Yoga am Pool (gut, dass ich mir in Guatemala eine Yogamatte gekauft habe). Dann lerne ich Spanisch, liege im und am Pool, esse Mittag, schlafe in der Hängematte, übe Ukulele (gut, dass ich mir auf Utila eine Ukulele gekauft habe), esse zu Abend, gucke in den Sternenhimmel und frage mich wie mein Reisejahr weitergeht.

Ich versuche weniger Nachrichten zu lesen und mehr mit meinen Freunden zu telefonieren. Und teile mir mein Essen ein. Denn zum Supermarkt dürfen wir plötzlich auch nicht mehr. Stattdessen kann man per Whatsapp bestellen und es wird geliefert. Ich schicke dem Supermarkt also Fotos der Lebensmittel, die ich zur Neige gehen: Haferflocken, Brot, Nudeln. Und tatsächlich kommt kurz danach ein Moped und bringt mir meine Tüte. Mittlerweile ist aber auch dieses System überlastet. Der Supermarkt antwortet nicht mehr.

Für die nächste Woche sollte ich allerdings genug Lebensmittel haben. Ich esse einfach nur noch zweimal pro Tag. Eh viel gesünder. Intervallfasten und so. Und ein 10 Liter Wasserfass habe ich mir in weiser Voraussicht auch bereits gekauft. Das steht nun neben meinem Dormbett. Was man halt so braucht in Zeiten wie diesen.

Mein Dormkollege aus Kanada setzt andere Prioritäten und leert jeden Tag eine Flasche Rum. So fällt ihm zumindest nicht auf, dass er meistens nackt ist. Mir hingegen schon. Doch in Anbetracht einer weltweiten Pandemie ist das nur ein kleiner Störfaktor.

Wie es weitergeht? Keine Ahnung! Ich habe jedenfalls aufgehört Flüge zu buchen, die gecancelt werden. Ich warte ab, wie sich die Situation entwickelt und treffe eine Entscheidung, wenn es eine zu treffen gilt. Aktuell geht es mir ja gut. Die Situation könnte schlimmer sein. Oder wie mein Bruder hilfreich sagte: Bleib da und lass dir einen Bart wachsen.

3 Gedanken zu „Und dann kam Corona

  1. Ich drücke dir die Daumen, dass du bald wieder weiter kommst. Eingesperrt ist man inzwischen fast überall.
    Grüße an den nackten Kanadier und den Tipp deines Bruders nur zur Hälfte beherzigen!
    Es grüßt ein die bekannter Barträger-held

  2. Alles Gute für dich!!! Hab den Umständen entsprechend gute Zeiten mit lieben Menschen und komm gesund zurück, wann und wie immer das sein wird.

  3. Liebe Bärbel,
    habe soeben Deine Reise Geschichte gelesen , sehr interessant, aber man wird auch ein bisschen nachdenklich. Denn so eine Krise um nicht zu sagen Katastrophe hätte ich mir in meinen kühnsten Traumen nicht vorstellen können. Und wenn man dann noch dazu so fern der Heimat ist, ist es vielleicht noch etwas bedenklicher. Aber Du bist jung und gesund und eventuell bist Du auf einer kleinen gesperrten Insel besser aufgehoben wie hier in München. Man weiß es nicht! Ich drücke Dir auf alle Fälle die Daumen, dass Du gesund bleibst und wenn es möglich ist , Du Brigitte Lutzfür Dich die richtige Entscheidung triffst. Ich wünsche Dir trotzdem eine erholsame Zeit und genieße die Ruhe die Hektik kommt eventuell schneller als Du denkst. Liebe Grüße von uns allen und Kopf hoch ! Brigitte

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