Was hat sich verändert?

Was hat sich verändert?

So, mein „Auslandsjahr“ ist rum (coronabedingt waren es ja nur sieben Monate, aber immerhin) – was hat sich verändert?

Nach außen hin nicht viel. Ich wohne wieder in Deutschland, in München, in derselben Wohnung (also ab Februar, wenn die Untervermietung beendet ist). Ich plane wieder dieselben Hobbies aufzunehmen. Bei Achilles laufen, Karate, wandern, schwimmen, SUP Board, tauchen, ab und zu mal eine Radtour. Ich werde mich mit denselben Menschen treffen und wieder auf meinem Sofa liegen und lesen.

Was sich verändert hat, bin ich. Unter anderem elf Kilo leichter (ich kann die Tauchschulen-Arbeit-Diät sehr empfehlen), ein herauswachsender Sidecut (sieht ziemlich seltsam aus, ist aber ein Tribut an meine Idee im Mai, mir die Hälfte meiner Haare abzurasieren), ich bin durch die Monate in der Sonne bräuner und blonder geworden – aber vor allem zufriedener. Trotz Corona Chaos, gecancelten Flügen und ziemlich vielen Planänderungen in diesem Jahr. Warum?

Ich hatte immer einen Traum (Martin Luther King lässt grüßen). Eigentlich hatte ich ganz viele Träume. Jeden Einzelnen habe ich mir nach und nach erfüllt.

Ich bin mit einem Truck durch Afrika gefahren und habe die Big Five gesehen, bin mit einem Quarterhorse durch Montana geritten, den Inkatrail über die Anden nach Machu Pichu gewandert und den Jakobsweg nach Santiago de Compostela.

Ich bin in Laos Kajak gefahren, in Mexiko, Honduras und Spanien getaucht, in Australien geschnorchelt, auf Bali gesurft, habe in einem Waisenhaus in Sambia mit den Kids Karate geübt, habe Yoga in Indien und Guatemala gemacht und Kitesurfen in Tansania ausprobiert.

Ich habe den Tafelberg in Kapstadt, das Kolosseum in Rom, die Pyramiden in Kairo, den Tadj Mahal in Agra und die Chinesische Mauer besucht, war bei den Olympischen Spielen in Peking, habe auf einem Ponton auf dem Great Barrier Reef übernachtet und den Ayers Rock in Australien umrundet. Die Oper von Sydney stand ebenso auf meiner Liste wie die Halongbucht in Vietnam und die Christus Statue in Rio de Janeiro.

Ich habe in Marokko Interrail ausprobiert, bin mit Bussen, Zügen, Sammeltaxis, Rikschas, Tuktuks und undefinierbaren Vehikeln durch insgesamt 65 Länder gerumpelt. Ich habe nach einem Sandsturm auf einem Feldbett in der indischen Wüste und in Panama in Hängematten übernachtet, bin auf einem Kamel geritten und auf einem Schiff den Nil entlanggeschippert. Ich habe gezeltet, in Hostels und AirBnBs geschlafen und in Hongkong Couchsurfing ausprobiert.

In Malaysia und Jordanien habe ich mich ständig verlaufen und in Syrien bin ich auf die gastfreundlichsten Menschen getroffen. In Dublin und Singapur war ich im Zoo, bin in Botswana vor Büffeln geflüchtet, schlitterte in Namibia auf einem Karton die roten Dünen runter, stand am Salzsee in Bolivien und am Old Faithful Geysir im Yellowstone Nationalpark.

An meinem einzigen Tag in Island hat es durchgehend geregnet und ich saß keksefutternd in sämtlichen Cafes Reykjaviks. Genauso wie in Schottland. Ich bin in Lettland kilometerweit am Meer entlangspaziert, habe in Estland das Haus des Weihnachtsmannes besucht und habe im Oktober in Helsinkis Hafenschwimmbad gebadet (sehr kühl!). Ich bin mit meinem Rucksack durch die legendäre Khao San Road in Bangkok geschlendert und habe mein Weltenbummler Shirt vor dem Angkor Wat in Kambodscha übergestreift.

Ich habe mir jeden Traum erfüllt. Bis auf einen. All meine bisherigen Träume habe ich in meine Semesterferien und Vier-Wochen-Urlaube während meines doch sehr anfordernden Jobs gestopft. Jede Überstunde durch Geschäftsreisen, Events und lange Bürotage floss in eine Reise. Aber ich habe nie im Ausland gelebt.

Und genau das war mein vielleicht größter Traum, den ich immer wieder aufgeschoben habe. Ich wollte ein paar Monate im Ausland leben. Und noch einmal etwas völlig anderes machen. Aber: Ich kann doch nicht kündigen. Und was mache ich mit meiner Wohnung? Und wo will ich überhaupt hin? Und was tue ich da? Und überhaupt: Von welchem Geld?

Also fing ich sicherheitshalber vor fünf Jahren an zu sparen. Ich richtete mir extra ein neues Konto dafür ein, schob jeden Monat 257 Euro beiseite (mehr ging nicht :)), mein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und jeder Cent einer Steuerrückzahlung kam dazu. Die Grundlage war also geschaffen. Und als ich 2017 den Jakobsweg lief, reifte in mir auch die Bereitschaft meinen Job zu kündigen und loszulassen. Aufzubrechen.

Und so kündigte ich zweieinhalb Jahre später meinen Job, packte mein Leben in Kisten und vermietete meine Wohnung unter. Und flog mit meinem Rucksack und meinem Weltenbummlershirt für drei Monate nach Mittelamerika. Durch Corona wurden es nicht die geplanten vier und auch Costa Rica und Nicaragua bekam ich dadurch nicht zu Gesicht – stattdessen saß ich 18 Tage auf einer honduranischen Insel fest, schlug mit der Machete im Dschungel Feuerholz und kochte mit Stirnlampe auf dem Gasherd zu Abend, wenn mal wieder der Strom für mehrere Stunden ausfiel, bevor ich mit dem Rückholflug des Auswärtigen Amtes nach Hause flog.

Statt wie geplant zwei Monate in Bali in einem Marine Conservation Projekt zu verbringen, hing ich erst einmal wieder in Deutschland fest. Doch dann öffneten sich wieder die Grenzen und ich flog nach Spanien, um dort vier Monate lang in einer Tauchschule zu arbeiten und meine Ausbildung zum Divemaster zu absolvieren.

Seit November bin ich wieder daheim. Und werde gefragt: „Wie lange bist du jetzt hier? Wo geht es als nächstes hin? Bleibst du jetzt im Tauchbusiness?“ Genau die Fragen habe ich mir auch gestellt. Was ist mein nächster Step? Und ich merke: Ich möchte erst einmal hier bleiben. Ich habe mir meinen großen Traum erfüllt. Und ich weiß, hätte ich es nicht gemacht, hätte ich es spätestens am Ende meines Lebens bereut.

Und so bin ich stattdessen nun einfach glücklich. Statt Rastlosigkeit fühle ich eine wohlige Zufriedenheit in mir. Vielleicht sogar das erste Mal in meinem Leben. Ich plane nicht die nächste Reise, das nächste Abenteuer. Natürlich gibt es noch immer Länder, die ich sehen oder Dinge, die ich tun möchte. Aber von nun an ist alles ein Add-on.

Und deshalb sind meine Ziele für das nächste Jahr ungewohnt bescheiden und unspektakulär: Ich möchte mal all die Dinge machen, zu denen ich in den letzten Jahren aus Zeit- und Energiemangel nicht kam. Ich möchte auf meinem Balkon ein Hochbeet aufbauen und bepflanzen. Ich möchte gesund und bewusst kochen. Ich möchte weniger Müll fabrizieren, vorwiegend Bio-Lebensmittel und Naturkosmetik kaufen und nachhaltiger leben. Von Januar bis April werde ich zudem eine Weiterbildung zum Business Coach und Trainer machen.

Und danach brauche ich natürlich wieder einen Job. Sinnstiftend soll er wieder sein. Die Welt ein bisschen besser machen. Ab Mai. Oder idealerweise ein bisschen später. Zum Beispiel ab August oder spätestens September. Denn dann kann ich den Sommer noch genießen. Und meinen Schnittlauch gießen.

Angebote nehme ich aber gerne schon entgegen 🙂 Einfach melden!

6 Gedanken zu „Was hat sich verändert?

  1. Was hast du schon alles in dein junges Leben reingepackt, dafür braucht man eigentlich 10!
    Für deine nächsten Zukunftspläne gutes Gelingen, beste Ernten und weiterhin viiiieel Freude am Leben. Liebe Grüße, Jutta

  2. Absolut beeindruckend 🙂 Da komme ich mir mit meinen 24 besuchten Ländern wie ein Einsiedlerkrebs vor!
    Es war schön, dich kennengelernt und mit dir getaucht zu haben!
    Liebe Grüße
    Mario

    1. Hey Mario, ja ihr Barbecue Divers habt mich echt inspiriert. Coole Idee, eure Sonntage!!! Und ihr seid eine tolle Truppe.
      Naja, 65 Länder: es geht ja in der Tat nicht um die Anzahl, sondern um das Erlebte. Und dahinter stecken auch so 18 Jahre intensives Reisen. Von daher: alles noch möglich 😊😊😊

  3. Hört sich wunderbar an, sowohl das vergangene Jahr als auch deine Zukunftspläne – insbesondere, dass du wieder bei Achilles laufen willst! 😉

  4. Liebe Bärbel, grossartige Leistung, dazu gehört Mut und Selbstvertrauen! Respekt! Du hast deine Träume realisiert! Schreibe sie bitte auf, die Erlebnisse deiner Reise! Das interessiert viele Leute und du wirst einen Verlag finden, der deine spannenden Geschichten publiziert! Alles Liebe und melde dich doch mal. Sabine

  5. Liebe Bärbel,
    habe soeben Deinen Blog gelesen,wie immer, sehr interessant! Was Du in Deinen jungen Jahren schon alles gesehen und erlebt hast, ist Wahnsinn und bedeutet, dass Du viel Mut, Durchsetzungskraft , Energie und vor allem keine Angst hast. Dafür bewundere ich Dich, ich könnte das nicht! Aber ich bin sowieso was Reisen anbelangt, sehr ängstlich. Ich finde es schön, dass Du Dir Deine Träume erfüllen konntest und jetzt etwas ruhiger und gesättigter, was Reisen anbelangt, in Deine Zukunft blicken kannst. Du wirst auch hier in Deutschland schöne Orte besuchen können und viele interessante Dinge erleben! Ich wünsche Dir viel Spaß bei Deiner neuen Ausbildung und drücke Dir die Daumen, dass Du den richtigen Job, der Dir Freude macht, findest. Nach Corona oder nach dem wir alle geimpft sind gibt es sicher mal ein nettes persönliches Gespräch .Bis dahin alles Gute und ganz liebe Grüße von Brigitte mit Familie

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