Warum alleine reisen nicht bedeutet, dass man alleine reist
„Und du reist ganz alleine?“, werde ich oft ganz erstaunt gefragt. Ja! Aber ich bleibe meistens nicht lange alleine. Ich habe schon so viele inspirierende Menschen getroffen, ob Einheimische oder andere Reisende. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich alleine reise. Und ich bin für solche Begegnungen sicherlich offener, als wenn ich von Anfang an zu zweit unterwegs wäre.
Zum Beispiel auf dem Jakobsweg: Gestartet bin ich alleine, angekommen bin ich in einer Gruppe aus zwölf Pilgern, acht Nationen, vier Kontinenten – und einem Ziel: Santiago de Compostela. Auf den 900 Kilometern haben wir uns gegenseitig ermutigt, geholfen, zusammen gelacht und geweint. Wir haben immer noch Kontakt über Facebook. Mit Louise aus Irland habe ich mich in Schottland getroffen, Elix aus China hat mich in München besucht – und mit Jessica aus Kanada laufe ich dieses Jahr zusammen den Inkatrail in Peru. Eventuell ist auch Pierre aus Frankreich dabei, wenn es bei seiner Atlantiküberquerung per Segelboot nach Südamerika keine Verzögerungen gibt.
Bei meiner Trucktour durch Afrika vor gut zwei Jahren habe ich mir 4 Wochen lang mit SJ aus Australien das Zelt geteilt. Jeden Tag dieses Ungetüm bei 40 Grad zusammen auf- und abzubauen verbindet. Letzten Dezember hat sie mich in Deutschland besucht und wir haben gemeinsam Weihnachten gefeiert.
Und Pam & Justin, ebenfalls aus Australien und ebenfalls auf dieser Trucktour kennengelernt, habe ich bei meiner Reise an die Ostküste Australiens in Sydney besucht. Und auf ihrer Europareise haben wir uns für ein paar Stunden in London getroffen. Ich bin morgens hingeflogen, wir haben einen Kaffee getrunken und ich bin zurückgeflogen. Verrückte Aktion und nicht unbedingt gut für meinen ökologischen Fußabdruck, aber wir hatten einen großartigen gemeinsamen Tag.
Und ihre neugeborene Tochter heißt mit zweitem Namen „Belle“, in Anlehnung an meinen Spitznamen „Bel“. Verbunden mit der Hoffnung, dass sie meinen Abenteuergeist „geerbt“ hat. Diese Nachricht hat mich unglaublich berührt.
Ich habe Freunde auf der ganzen Welt. Sie haben vielleicht eine andere Religion, sprechen eine andere Sprache oder haben eine andere Hautfarbe. Aber wir teilen nicht nur gemeinsame Erlebnisse, sondern auch dieselbe Einstellung. Wir sind offen für Neues. Wir betrachten eine fremde Kultur nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung.
Auf Reisen lernt man sich in den unmöglichsten und lustigsten Situationen kennen: In Vietnam verbrachte ich einen amüsanten Nachmittag mit einer Deutschen in einem kleinen Supermarkt, in den wir beide aufgrund des Monsuns geflüchtet sind, saßen dort auf zwei wackeligen Plastikstühlen, aus dem Radio tönten die Backstreet Boys und wir hatten „The time of our life“.
In einem Karateverein in Damaskus lernte ich eine junge Syrerin namens Nuria kennen, die mir während meines restlichen Aufenthaltes ihre Stadt zeigte. In Indien traf ich dreimal dasselbe Paar aus der Schweiz – in drei verschiedenen Städten: In Jaipur, als mein Rikscha kaputtging und ihr Rikschafahrer anhielt, um uns zu helfen. Ein paar Tage später in Jodhpur, als wir gleichzeitig ein legendäres Omelett beim „Omelett Man“ aßen und schließlich in Delhi am Flughafen. Wahrscheinlich dachten sie, ich verfolge sie 🙂
Auf Reisen überspringt man viele Schritte, die zuhause zum Aufbau einer Freundschaft nötig sind. Man sitzt nebeneinander im Bus, erzählt sich seine Lebensgeschichte und teilt sich im Zielort spontan ein Zimmer.
Oder man sitzt im wahrsten Sinne des Wortes im selben Boot, floatet zwei Tage lang den Mekong runter und entdeckt dann den wunderschönen Ort Luang Prabang in Laos einfach zusammen. Daraus ist eine tolle Freundschaft mit Anne-Marijn aus den Niederlanden entstanden. Auch wir haben uns schon gegenseitig im „normalen Leben“ besucht und sind auch sechs Jahre nach der Reise noch richtig gut befreundet.
Und genau das macht Backpacken so besonders. Man lernt großartige Menschen kennen – weil man ihnen vertrauen muss. Man ist auf Hilfe angewiesen. Und wenn ich aus meinen Reisen etwas mitgenommen habe, dann, dass die Menschen besser sind als ihr Ruf. Es gibt so viele hilfsbereite Menschen da draußen. Menschen, die nicht auf ihren Vorteil bedacht sind. Die dich nicht über das Ohr hauen wollen. Die, wenn du sie nach dem Weg fragst, ihre eigene Verabredung verschieben und dich persönlich hinbringen. Die dir Tipps geben. Die für dich verhandeln und um den besten Preis feilschen. Die dir einfach eine gute Zeit bereiten wollen. Einheimische wie auch andere Backpacker.
Klar, es gibt Ausnahmen. Aber man wird so oft positiv überrascht. Und deshalb ist Reisen so wichtig! Übernehmt nicht einfach irgendwelche Vorurteile. Schaut Euch die Welt selbst an und bildet Euch Eure eigene Meinung.
2 Gedanken zu „Warum alleine reisen nicht bedeutet, dass man alleine reist“
Toller Beitrag! Ich habe vor kurzem meine Rente Reise alleine ins Ausland unternommen und vorher sich ganz oft diese Standardfragen hören müssen. Alleine oder einsam war ich zu keinem Zeitpunkt meiner Reise.
Liebe Maren,
vielen Dank – und Glückwunsch zu deiner ersten Reise alleine ins Ausland 🙂 Es kostet immer etwas Mut, aber macht einen auch stolz. Es freut mich sehr, dass es dir gut gefallen hat. Wo warst du denn? LG Bel