Meine Reise-Disaster
Ich bin zwar ein sehr positiver und optimistischer Mensch, aber eben auch ehrlich. Und deshalb: Nein, meine Reisen bestehen nicht nur aus krassen Highlights, aneinandergereihten Foto-Motiven und legendären Augenblicken. Es gibt natürlich auch Momente auf meinen Reisen, die weniger Spaß machen. Die beschwerlich sind. Oder nerven. Und auch einige wenige Tiefpunkte.
Nach meinem Artikel zu meinen schönsten Reisemomenten ist es mir deshalb genauso wichtig, auch über diese low points zu schreiben. Nicht, um Euch vom Reisen abzuhalten. Sondern weil dieser Aspekt auch einfach dazugehört. Und weil die Tiefpunkte die Momente sind, die mich im Nachhinein mit am meisten geprägt haben. Weil man – gerade wenn man alleine reist – lernt, wie man sich selber wieder aus dem Sumpf zieht. Wie man sich wieder ermutigt, aufbaut und weitermacht. Man sieht, wie man mit Herausforderungen umgeht. Was man macht, wenn nicht alles glatt läuft.
Ich muss allerdings auch sagen: Extrem schlimme Momente habe ich – klopf auf Holz – dennoch nicht erlebt. Und ich musste auch etwas länger überlegen, bis mir meine Reise-Tiefpunkte eingefallen sind. Weil es nicht viele waren. Die schönen Momente haben bei weitem immer überwogen. Und deshalb: Werft Euch den Rucksack über oder schnappt Euch den Koffer und los geht’s!
Bettwanzen in Thailand
Der Klassiker beim Backpacken und Schlafen in Hostels. Irgendwann trifft es vermutlich jeden mal. Wobei ich relativ lange davon unberührt durch die Welt gezogen bin. Bis ich in dem kleinen Örtchen Pai im Norden Thailands in einem eigentlich sehr netten kleinen Hostel war und zur Abwechslung mal ein Einzelzimmer belegte.
Bevor ich allerdings die Begegnung mit den Bettwanzen machte, nahm ich an einem Kochkurs von einer netten älteren Thailänderin teil, die mich mit auf den Markt nahm, mich die lokalen Früchte probieren ließ und mich dann anleitete, was ich zu schnippeln und in den Wok zu werfen hatte. Da ich die einzige Teilnehmerin in dem Kurs war, musste ich danach auch alles alleine aufessen, was – wer mich kennt, weiß das – kein Problem war.
Es wurde erst später zu einem Problem, als – wie drücke ich das jetzt am besten aus – das Essen auf allen möglichen Kanälen seinen Weg wieder nach draußen bahnte. Der Vorteil: Ich hatte ausnahmsweise ein Einzelzimmer. Der Nachteil: Ich hatte eine Toilette ohne Spülung und musste nach jedem Gang dorthin mit einem kleinen Becher Wasser aus der Tonne in die Toilette schöpfen. Eigentlich das letzte, was man braucht, wenn man unter Durchfall und Erbrechen leidet.
Doch es ging noch weiter bergab: Ich verbrachte deshalb quasi 24 Stunden leidend in meinem Bett, in dem leider auch besagte Bettwanzen wohnten. Die roten Punkte auf meinem Bein interpretierte ich als Mückenstiche und schleppte mich, sobald es mir etwas besser ging, zur nächsten Apotheke. Dort erstand ich eine Salbe, die aber nicht half. Im Gegenteil: Am nächsten Tag waren die Punkte zu Flecken geworden. Ich wanderte also wieder zur Apotheke und traf diesmal dort den Apotheker selbst an.
Ich: „I have mosquito-bites, but the balm doesn’t seem to work.“
Apotheker: „Ah, not mosquito-bites. Bed-bugs! I give you pills and different balm. You take!“
Ich: „Great. But bedbugs are not dangerous, right?“
Apotheker: „Ah yes, little dangerous.“
Ooookay. Ich habe also die Salbe aufgetragen und die Tabletten ein paar Tage lang geschluckt und siehe da, es ging bergauf. Aber krank sein auf Reisen macht einfach keinen Spaß. Vor allem wenn man alleine unterwegs ist. Man kann eben keinen zur nächsten Apotheke schicken, sondern muss sich selbst hinschleppen. Ich glaube, für den 15 minütigen Fußweg habe ich eine Stunde gebraucht. Ich war extrem schlapp und musste immer wieder stehen bleiben und eine Pause machen.
Aber wichtig ist: Sich irgendwann aus dem Selbstmitleid, in das ich dann in solchen Momenten durchaus gerne verfalle, rausziehen, das Zimmer verlassen und sich ablenken. Ich habe mir im Hostel eine Tasse Tee gemacht, Musik gehört und eine Runde Billard gespielt. Danach ging es mental wieder bergauf. Wenn man zu zweit unterwegs ist, ist Kranksein – finde ich zumindest – nicht ganz so schlimm. Man hat jemanden dabei, der das Kommando übernimmt, Entscheidungen trifft und sich um einen kümmert.
Vor Büffeln weglaufen in Botswana
Das wilde Campen auf einer kleinen Lichtung mitten im Okavango-Delta in Botswana war zwar eine unglaublich tolle Zeit, auf eine Erfahrung hätte ich aber verzichten können: Um mein Leben zu rennen. Doch von vorn: Eines Morgens brachen wir zu einer Walking Safari auf.
Von unserem lokalen Guide, einem Einheimischen, wurden wir entsprechend gebrieft: „Okay, that’s a quick security briefing. When I say run, you run. No questions, no hesitation, you run. It will not happen, but just for you to know. If we are followed by an elephant: Run! If we are followed by a buffalo: Run and climb a tree! If we are followed by a lion: Don’t run. Stand still.“
Gut! Wir wanderten also los. Alle sechs von uns direkt hintereinander, wie Perlen, die auf eine Kette gezogen wurden. „So sehen wir aus wie ein großes Tier und die Wahrscheinlichkeit, angegriffen zu werden, sinkt“, erklärte uns der Guide. „Außerdem arbeiten wir mit der Komfortzone der Tiere. Solange wir ihnen nicht zu nahe kommen, werden sie uns nicht angreifen.“ Das klang für mich völlig logisch und auch total toll. Friedliche Ko-Existenz und so. Wer braucht schon Waffen. Das fühlte sich zumindest solange gut an, bis wir aus Versehen in eine Büffelherde hineinwanderten. Wir hatten zwar noch etwas Abstand, als der Guide sie erblickte, aber wir waren definitiv zu nah. Das fanden auch die Büffel, die uns schnaubend ansahen.
„Fuck, we are too close. Move quickly“, flüsterte der Guide. Wir erhöhten also unser Schritttempo, um aus der Gefahrenzone zu kommen und Distanz zwischen uns und die Büffel zu bringen. Zwei davon allerdings fingen an, uns zu verfolgen. „Run!!!“, schrie der Guide – und wir stoben los. Wobei „rennen“ relativ ist, weil man zum einen einen Rucksack mit schweren Wasserflaschen auf dem Rücken und eine Kamera um den Hals hängen hat, zum anderen das Gras hüfthoch und der Boden mit Löchern übersät war. In eines trat unser Guide, der der Länge nach auf den Boden schlug und im Gras verschwand. Dadurch führte ich plötzlich die Gruppe an. Völlig vergessen, dass wir ja im Falle von einer Büffelverfolgung zu Bäumen laufen und diese erklimmen sollten, raste ich einfach weiter geradeaus.
Normalerweise bin ich der langsamste Läufer dieser Welt, aber in dem Moment dachte ich wirklich, ich renne um mein Leben. Und stellte fest: Ich bin null sozial. Anstatt den langsameren Läufern unserer Gruppe zu helfen, war mein einziger Gedanke: „Es sind zwei Büffel. Solange zwei Menschen hinter mir sind, bin ich safe.“ Bedenklich, aber wahr… Survival of the fittest at its best. Nach ca. 400 Meter stellten wir fest, dass die Büffel uns nicht ernsthaft verfolgten, sondern uns aus ihrer Komfortzone vertreiben wollten und blieben stehen.
Im Nachhinein betrachtet war das Weglaufen auch keine optimale Reaktion, da die Bewegung Löwen auf den Plan hätte rufen können oder wir einfach in die nächste Büffelherde hätten rasen können. Nach diesem Erlebnis wanderten wir noch drei weitere Stunden durch die Wildnis, allerdings ziemlich angespannt und es reichte mir auch völlig, die Tiere von möglichst weit weg zu bestaunen. So gut die Erklärung mit der Komfortzone klingt, ein Betäubungsgewehr für den absoluten Notfall überzeugt mich in Zukunft mehr.
Bestohlen in Tansania
In zwölf Jahren intensiven Reisens wurde ich tatsächlich nur einmal beklaut – und selbst dabei hatte ich noch ungeheures Glück. Als ich mit meiner Trucktourgruppe in Arusha (Tansania) in einem kleinen Bistro zu Mittag aß, stellte ich meinen Tagesrucksack neben meinen Füßen unter den Tisch. Nein, ich habe meinen Fuß nicht in den Schulterriemen eingefädelt. Irgendwann während des Mittagessens hatte ich mal das Gefühl, dass jemand recht nah hinter mir steht, aber da die Tische eh alle recht eng beieinander standen, habe ich dem keine weitere Beachtung geschenkt. Als ich irgendwann zu meinem Rucksack guckte, war er weg.
Und ich glaube, das Gefühl hat jeder schon einmal erlebt, dem etwas Wichtiges abhanden gekommen ist: Man bekommt einen Riesenschreck. Ich stotterte nur: „My backpack is gone!“ Keine Ahnung, wie die Diebe sich den Rucksack geschnappt haben, aber sie waren erfolgreich. Pech für sie: Mein Rucksack war wahrscheinlich der, der sich am Wenigsten zu stohlen gelohnt hat. An eben jenem Morgen habe ich spontan noch einmal umgepackt und die 2.000 Dollar in bar gerollt und in meinem Ledergürtel verstaut, den ich durch meine Hose gefädelt habe. Meine Sonnenbrille hatte ich auf dem Kopf, meinen Pass habe ich entgegen meiner Gewohnheit an dem Tag im Zelt gelassen (was ich sonst eigentlich nie mache, aber es fühlte sich richtig an), meinen Minigeldbeutel für den Tag in meiner Hosentasche verstaut.
Natürlich waren in meinem Rucksack Dinge, die für mich persönlich wertvoll waren: Mein Reisetagebuch, mein Original-Weltenbummlerin-Shirt (Namensgeber meines Blogs), mein MP3-Player und meine Malaria-Medikamente. Aber es hätte viel schlimmer kommen können. Es wäre ein Riesenact gewesen, einen neuen Pass zu beantragen (vor allem, da wir ja jeden Tag den Ort wechselten) und ein kleines Drama, die 2.000 Dollar zu verlieren. Von daher versuchte ich es nach dem ersten Schreck positiv zu sehen, mich zu meiner Intuition zu beglückwunschen und marschierte zum lokalen Markt, um mir eine neue Tasche als Rucksackersatz und ein Schulheft als neues Tagebuch zu besorgen, in der Apotheke Malariamedikamente zu erstehen und orderte online schon einmal ein neues Weltenbummlerinontour-Shirt.
Ich habe aber gerade in Tansania noch ein paar krasse Geschichten von Backpackern gehört, die bedroht und ausgeraubt wurden. Unter anderem zwei Mädels aus Österreich, die in der Hauptstadt Daressalam im Taxi vom Hotel zur Fähre überfallen wurden. Oder eine Chinesin, die dort zu Fuß unterwegs war, in ein Taxi gezogen und ausgeraubt wurde. Das veranlasste mich dann, meine Kreditkarten sicherheitshalber in meiner Socke im Schuh zu verstecken, als ich selbst in Daressalam war. You never know 🙂
Auf derselben Reise habe ich mich übrigens bei meiner Ankunft am Flughafen in Nairobi (Kenia) ausnahmsweise von meinem Hostel abholen lassen, da ich nachts um ein Uhr ankam. Normalerweise stelle ich mich der Herausforderung und versuche, mit einem Bus zum Hostel zu kommen und nicht einfach ein Taxi zu nehmen. Ein Einheimischer holte mich also mit dem Auto ab und wir rumpelten durch die tiefschwarze Nacht komplett durch die Wildnis, da sich das Hostel außerhalb von Nairobi befand. Nach einer Stunde Fahrtzeit beim Hostel angekommen, zeigte mir der Fahrer noch schnell mein 2 Quadratmeter großes Zimmer und die Duschen und informierte mich, dass ich komplett alleine bin und die „receptionstaff“ um 9 Uhr morgens wieder kommt. In der Nacht schlief ich ehrlicherweise nicht besonders gut. Aber es gab ja auch keine Alternative.
Auf der Fahrt selbst aber hatte ich überhaupt kein ungutes Gefühl. Nach meinen weiteren Erfahrungen auf der Reise kam mir allerdings im Nachhinein schon der Gedanke, wie leicht es gewesen wäre, mich in dem Auto auszurauben. Ich war gerade gelandet und hatte natürlich alles an Wertsachen dabei: Geld, Kreditkarte, Kamera, Handy etc. Man wird schon für weniger überfallen. Aber es sind eben nicht alle Menschen schlecht. Im Gegenteil, man wird ganz oft positiv überrascht. Und bisher bin ich gut damit gefahren, auf mein Bauchgefühl zu vertrauen. Natürlich kann man immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein – aber das geht auch hier in Deutschland, direkt vor der Haustür. Ganz ohne Risiko kommt man nicht durch das Leben und die Welt. Bisher hat es sich immer gelohnt, sich den Herausforderungen zu stellen. Und ich habe eine Menge dabei gelernt.